Perfektionismus- Fluch oder Segen?

Endlich mal wieder ein neuer Blogpost. Der letzte Beitrag ist tatsächlich schon drei Monate her. Das lag zum einen an dem vollen Dezember mit dem Adventstanzkalender, an Weihnachten und dass ich keine Ruhe und Zeit hatte, einen für mich perfekten Blogartikel zwischen den Jahren zu schreiben.

 

Perfekt. Was heißt eigentlich „perfekt“? Was ist „perfekt“? Und warum muss man immer alles perfekt machen?! Jeder kennt doch das Sprichwort: > Nobody is perfect! < zu Deutsch: < Niemand ist perfekt.> Doch trotzdem versucht man immer alles perfekt zu machen.

Die dreifach Pirouette kann immer noch ein bisschen sicherer oder besser noch zu einer vierfachen trainiert werden. Die Technik kann immer noch ein bisschen sauberer werden. Die Beine können noch ein bisschen höher gestreckt werden. Alles kann eben immer noch ein bisschen „perfekter“ sein.

Aber wann ist perfekt „perfekt“??? Gibt es überhaupt ein perfektes „Perfekt“?

Der Grund, warum ich das Thema „Perfektionismus“ anspreche, ist, weil es mir wichtig ist auf zwei Sachen aufmerksam zu machen.

 

Erstens:

Man muss unterscheiden zwischen einem gesunden und einem ungesunden Perfektionismus!

Es ist, meiner Meinung nach, ein Fehler, den Wunsch nach hoher Qualität, Präzision und Perfektion pauschal zu verteufeln. Stattdessen braucht es einen differenzierteren Blick auf die Eigenschaft: Es gibt gute Perfektion – und schlechte, auch oder besonders im Tanz, sollte man daran immer denken und als Pädagoge darauf achten, wie die SchülerInnen trainieren.

Die schlechte Perfektion, oder auch der ungesunde Ehrgeiz genannt, verbirgt oftmals das unerfüllte Verlangen nach Beachtung, Anerkennung, Lob oder in Bezug auf den Tanz zum Beispiel auch auf Beifall. Den Wunsch nach mehr Kontrolle oder aber auch Schutz vor Fehlern. Das ist allerdings so zielführend wie zwei Tage Kreisverkehr. Betroffene Perfektionisten sind oft willensstarke Menschen mit harter Schale, aber äußerst weichem Kern. Sie geben zwar stets ihr Bestes – aber oft aus den falschen Gründen, die meist von der Außenwelt beeinflusst werden. So entsteht eine Abwärtsspirale aus Streben, Stress und Scheitern.

Im Gegensatz dazu ist der gesunde Perfektionismus etwas was im Inneren der Person stattfindet. Man legt an sich selbst hohe Maßstäbe und Ansprüche und versucht jedes Mal die Latte ein bisschen höher zu legen. Nicht für andere, sondern um selbst daran zu wachsen, daraus zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Und es ist für diese Art Perfektionisten auch keine Schande einen Fehler zu machen. Tatsächlich zeichnen sich erfolgreiche Menschen gerade dadurch aus, dass sie mehr statt weniger Fehler machen – eben, weil sie auch mehr machen als andere. Ein Irrtum oder Missgeschick ist für gesunde Perfektionisten nichts Schlimmes, sondern eine Lektion.

Die zweite Sache, die mir besonders am Herzen liegt, und warum ich dieses Thema anspreche, ist folgende:

Wer den Tanz ausübt und Erfolge haben möchte, sollte eine gewisse Zielstrebigkeit und Gradlinigkeit, Ehrgeiz und Perfektionismus, Disziplin und Selbstbeherrschung mit sich bringen. Aber alles muss in einer ausgewogene Mischung aus Idealismus, Masochismus und Narzissmus sein. Viele Kinder und Jugendliche brauchen hier die Hilfe, Unterstützung und Leitung des Tanzpädagogen, wie ich finde.

Wir, als Tanzpädagogen, und da waren wir uns alle im Tanzmedizin- Seminar einig, sollten unseren SchülerInnen vermitteln, dass das Bild was auf vielen Sozialen Medien und Videoplattformen dargestellt wird, nicht der Norm entspricht und entsprechen sollte. Es ist meist nicht mal gesund und vor allem nicht das perfekte „Perfekt“.

Ich möchte meinen SchülerInnen ein neues Bild von einer Tänzerin und einem Tänzer nahe legen. Weg von allen Klischees und „perfekten“ Bildern.

Ganz vorneweg das wohl schwierigste und heikelste Thema: Der „perfekte“ Ballettkörper. Man muss aufhören einen bestimmten Körpertyp im Ballett als richtig, schön oder „perfekt“ anzusehen und bestimmte Körpertypen als weniger schön, ungeeignet oder eben „unperfekt“ zu beachten.

Ich freue mich, dass ich immer häufiger lese: „Dein Körper ist ein „Ballettkörper“, wenn du Ballett tanzt.“ oder „Tänzer aller Körpertypen können schöne Linien im Ballett erschaffen!“ Aber ich glaube, dass wir da noch einen sehr langen Weg vor uns haben, um diese Denkweise zu ändern. Aber wer weiß, vielleicht war dieser Blogbeitrag ja ein kleiner Denkanstoß und Schritt in die richtige Richtung. Das wäre perfekt!

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Meine erste Ballettstunde- Wie bereite ich mich vor?

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Dehnen ist nicht gleich Dehnen.