Aufnahmebedingung: Spagat!?- Muss ich einen Spagat können, um Ballett zu lernen?

Ballett und die Gelenkigkeit sind ein großes Thema mit dem ich als Tanzpädagogin oftmals konfrontiert werde. Da gibt es Erstgespräche, die beginnen mit „Meine Tochter kann Spagat, jetzt soll sie Ballett anfangen.“ Ich denke mir dann immer: Will sie denn auch Ballett lernen oder ist sie einfach noch so jung, dass ihr Knochenaufbau diese Gelenkigkeit zu lässt.

Oder ich hatte ein Telefonat mit einer Mutter, die sagte: „Meine Tochter kann Spagat und möchte Ballerina werden.“ Prima, dass sie Spagat kann. Aber ein Spagat allein reicht nicht aus, um Ballerina zu werden.

Und dann erlebe ich ab und zu in diesen Gespräche, meist mit den Müttern: "Ich bin stocksteif, deswegen lasse ich das lieber mit dem Ballett." Man hört schon regelrecht den Nebensatz: „Schade eigentlich, denn ich würde dieses Erlebnis vom Tanzen gerne selbst erfahren.“

Oder die, so nenn ich das jetzt einfach mal, Ausrede, um bloß nicht mit etwas Neuem anzufangen: „Ich bin viel zu steif, um zu tanzen!“ Ich antworte darauf dann meistens: „Das ist doch ein prima Grund mit dem Ballett anzufangen, um das zu ändern.“

Der Grund des heutigen Blogbeitrages ist die Aussage einer Dame über 60, die eigentlich bei dem neuen Kurs Ü60 Ballett mitmachen wollte und dann doch zum Schluss sagte: „Ich kann keinen Spagat. Ich lasse das lieber.“ Das hat mich sehr traurig gemacht, denn die positiven Effekt des Balletttrainings, wie zum Beispiel: Vorbeugend gegen Demenz, Zusammentreffen mit Gleichgesinnten oder eben die Bewegung zu Musik, sind einfach in den Hintergrund gerückt.

Wer sagt denn, dass man Spagat können muss, um mit dem Ballett anzufangen und das auch noch mit über 60 Jahren?! Ich auf jedenfall nicht!

Ich selbst habe über 7 Jahre gebraucht, bis ich im Spagat saß. Natürlich ist das ein großes Ziel für viele Ballettanfänger, aber es darf nicht der entscheidende Grund sein mit dem Ballett anzufangen oder sich dagegen zu entscheiden. Ich hatte in den 7 Jahren ohne den Spagat geschafft zu haben trotzdem immer Spaß am Training und bereue es nicht mit dem Ballett angefangen zu haben. Im Gegenteil.

Es hat mir gezeigt bewusst auf meinen Körper zu achten, ihn fühlen zu lernen und ihn Bewegung zu geben. Ihm etwas Gutes zu tun… Ihm?! Mir natürlich auch!!!

Es liegt sehr wahrscheinlich an den Sozialen Medien und den ganzen Bildern und Videos, die man sich im Internet oder den Printmedien anschauen kann. Überall liegen sie im Spagat, sind super beweglich, wenn nicht sogar hypermobil und dehnen sich ins Endlose und wenn es möglich wäre, wohl auch noch darüber hinaus.

Doch eins wird dabei immer wieder vergessen:

1.       Die TänzerInnen auf den Bildern, sind körperlich geeignet dafür und trainieren täglich an die 8 Stunden, um es so leicht aussehen zu lassen.

2.       Der Weg zu dieser Leichtigkeit wird selten gezeigt.

3.       Auch auf dem Titelbild dieses Blogbeitrags sieht es so aus als sei ich im Spagat. Bin ich aber nicht wirklich. Also glaube nicht alles was du siehst!

Und das Wichtigste überhaupt:

4.       Spagat ist nicht das A und O beim Ballett, sondern das Tänzerherz, das Gefühl und die Leidenschaft für den Tanz!

Und das kann man nicht mal mit viel Dehnübungen und Stretching trainieren, dass muss einfach in dir drin sein!

Das Thema Beweglichkeit, Dehnen und Hypermobil sein ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Spagat, den ich im nächsten Monat mit einem speziellen Blogbeitrag ansprechen möchte. Ich werde auf das Dehnen eingehen, auf die größten Fehler beim Stretching auf merksam machen und ich werde Euch erzählen, welche Dehnübungen, wann am effektivsten sind.

Bis dahin bleibt schön geschmeidig und denkt dran:

Ballett kann man auch anfangen oder lernen, wenn man nicht die Beine bis hinter die Ohren werfen kann oder im Spagat auf der Bank sitzt, denn Ballett braucht viel mehr als Flexibilität, nämlich Liebe, Gefühl und Herz.

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Dehnen ist nicht gleich Dehnen.

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Ballettunterricht- (d)eine Schule fürs Leben