Erzählt mal… Meine Schüler sprechen über Corona, Online- Unterricht und die Zukunft
Ich habe in den letzten Stunden vor den Osterferien gemerkt, dass vor allem die Kleinsten immer mehr das Bedürfnis hatten mir etwas zu erzählen und sich mitzuteilen. Auch wenn es nur ist, dass sie es nicht geschafft haben, so hochzuspringen, dass sie die Decke nicht erreicht haben oder dass sie keinen Kreis gehüpft sind, sondern Schlangenlinien. Hauptsache reden. Hauptsache sich mitteilen.
Das haben wir dann in der letzten Stunde vor den Osterferien nachgeholt mit einer „Quatschstunde“. Nach einem kurzen Training und etwas Tanz, durften die Mikrofone angemacht werden und jeder, einer nach dem anderen, durfte mir etwas erzählen. Egal was. Natürlich wurden mir die rausgefallenen Zähne und auch die Nächte bis zum Geburtstag vorgezählt. Aber auch, dass man zum zweiten Mal in Quarantäne ist, war eine der Geschichten. Bei den großen Schülern ist das Thema Schule und Corona sehr präsent gewesen. Auch wenn ich nicht viel über Corona sprechen wollte, wurde ich neugierig und habe meinen Schülern ein paar Fragen zu der jetzigen Situation und ihren Gefühlen gestellt. Ihre Antworten darf ich hier in meinen Blogpost mitteilen. Dieser Blogpost ist also in Zusammenarbeit mit meinen Schülern entstanden.
Meine erste Frage war: Müsst ihr euch motivieren für den Online- Unterricht?
Ich habe ehrlich gesagt mit vielen „Ja’s“ gerechnet. Doch ich habe nur vereinzelt ein Nicken gesehen. Die meisten, ja ich mag sagen, fast alle haben den Kopf geschüttelt. Sie freuen sich auf diese Abwechslung im Alltag. Und die wenigen, die diese Frage mit „Ja“ beantwortet haben meinte, dass sie sich mit dem Gedanken an die vorherige Stunde und das damit verbundene Glücksgefühl motivieren können doch einzuschalten.
Weiter wollte ich wissen, wie sie sich gefühlt haben, als es hieß wir dürfen nicht mehr in der Ballettschule tanzen und müssen zum Online Unterricht zurück.
So gut wie alle antworteten mit „Traurig!“. Das hat mich nicht verwundert, denn ich habe mich genauso gefühlt. Aber bei den Antworten „Enttäuscht“ und „Sauer“ musste ich nachhaken. Sie waren sauer, dass man ihnen das Tanzen genommen hat. Das was ihnen gut tut. Das was sie glücklich macht. Das Schöne in ihrem Leben. Sie waren enttäuscht wieder allein, zu Hause, in ihren Zimmern, zu tanzen.
Im zweiten Lockdown waren, bis auf die neuen Schüler, schon mit dem Live Stream erprobt. Doch ich wollte von den andren Schülern wissen, ob sie sich noch an ihre allererste Onlinestunde erinnern konnten?
Da gab es viele verschiedene Antworten. Von „Totale Katastrophe, weil diese Technik nicht funktionieren wollte oder ich sie nicht verstanden habe“ über „Sehr aufregend, wie das wohl so wird, ohne sich zu unterhalten und ob man alles gut erkennen kann“ bis hin zu „Ich musste erstmal schauen, wo der beste Platz ist, an dem ich trainieren kann und wo ich die Kamera platzieren muss.“.
Ich selbst habe in dieser Zeit auch an vielen Onlineseminaren und -workshops teilgenommen und hatte anfangs einige Schwierigkeiten mit dem Lernen über den Bildschirm. Die ersten Workshops hätte ich am liebsten abgebrochen, da ich die Choreografie gar nicht richtig übernehmen und ihr folgen konnte. Ich habe natürlich nicht abgebrochen und mich der Herausforderung gestellt. Mit Erfolg. Somit habe ich einen Ausschnitt aus der Original- Choreografie aus dem Ballett „Swan Lake“ von Matthew Bourne gelernt. Ein Traum, den ich mir nicht zu träumen gewagt habe und nur durch die Onlinemöglichkeit wahr werden konnte. Ich war mir also sicher, dass auch meine Schüler online etwas lernen würden, doch trotzdem wollte ich es von ihnen selbst hören: Habt ihr im Onlineunterricht etwas dazu lernen können?
Ich liebe meine Schüler, das habe ich bestimmt schon mal gesagt, oder?! Denn auf diese Frage wurde geantwortet: „Jedes Training ist besser als Netflix zu gucken “ Eine gute Antwort, die mir zeigt, meine Schüler wissen, was gut für die Seele und den Körper ist. Auch bei den Jüngeren war die Antwort meist: „Ja, wenn auch nur langsam. Aber kleine Fortschritte sind besser als keine!“ Ich liebe meine Schüler einfach! Hier und da kam aber auch zu Sprache, dass es schwer sei sich zu orientieren, wo ihr und mein Rechts und Links ist und wo man sich gerade hin drehen muss. Genau dieses Problem hatte ich selbst auch und konnte sehr gut mit ihnen mitfühlen. Aber auch meine Schüler nehmen jede Onlinestunde die Herausforderung wieder und wieder an. Mit Erfolg.
Auf die Frage: „Was würdet ihr besser finden: Weiter online trainieren oder durchgehend mit Maske und Abstand im Präsenzunterricht?“, antworteten alle: „Präsenzunterricht, ganz klar!“ Online zu Trainieren ist eine gute und auch zurzeit die einzige Möglichkeit, aber nichts ersetzt eben das gemeinsame Training in der Ballettschule.
Meine vorletzte Frage war: Gibt es etwas das ihr am Online- Training gut findet?
Hier gab es einige klasse Antworten, die mir gezeigt haben, dass es genau das Richtige war Training via Live Stream anzubieten. Eine Schülerin meinte: „Dadurch, dass ich keinen Spiegel vor mir habe, lerne ich meine Bewegungen mehr zu fühlen.“ Wow, wie großartig, oder?!
„Ich kann mich mehr auf mich fokussieren, da ich durch niemanden abgelenkt werde und nur auf mich achten kann.“, antwortete eine andere Schülerin und wurde von mehreren bestätigt. Ich hoffe die Schüler übernehmen diese Erfahrungen in den Präsenzunterricht.
Von den Älteren kam häufig: „Ich brauche nicht mehr von zu Hause loszufahren und mich erneut nach der langen Schule oder dem anstrengenden Arbeitstag aufraffen, um zur Ballettschule zu fahren“. Oder auch die Schüler, die von weiter weg kommen, meinten: „So bleibt mir die 30- minütige Autofahrt erspart… und ich kann Sprit sparen.“ Da kommt der Lipper durch.
Fleißige Schüler, die einmal keine Zeit für ihren Unterricht hatten, kommen einfach an einem anderen Tag in das Zoom Meeting dazu. Eine tolle Lösung und ein klarer Vorteil für das Online- Training, wie auch viele andere Schüler fanden.
Die Antwort, die mir als „Mama der Tanzfamilie“ das Herz höher schlagen gelassen hat, war: „Wir können durch die Gruppenzusammenlegung im Online- Training, die anderen Gruppen und deren Tänzer kennen lernen.“ Und damit hatte sie sowas von Recht und war mir selbst bis dahin gar nicht bewusst gewesen.
Die letzte Frage war eine Frage, die uns alle mit positiven Gefühlen in die Ferien schicken sollte. Mit Blick nach vorn. Mit Hoffnung und voller Vorfreude auf eine Zukunft mit gemeinsamen Tanz im Präsenzunterricht. Ich wollte als letztes Wissen: Worauf freut ihr Euch, wenn es heißt wir dürfen wieder zurück in die Ballettschule?
Es sprudelte förmlich aus den Mündern raus: Auf den Tanzboden, die Ballettstangen, den großen Spiegel, die neue Ballettschule, dass wir durch die lange Diagonale tanzen können, ja sogar auf die „Teststunde“ wird sich gefreut. Man kann es sich denken, jeder hat gesagt: „Auf das gemeinsame Training und das wir uns endlich wieder sehen und wieder den persönlichen Kontakt haben.“ Vor allem die Großen freuen sich auf das „Kabinen- Gequatsche“. Es war schön zu hören, dass man sich auch auf mich freut, auf die Atmosphäre in der Ballettschule und das man so wieder etwas mehr Alltag zurück bekommt.
Von meinen beiden neuen Schülerinnen, die online angefangen haben, wurde gesagt: „Ich freue mich meine neue Ballettklasse endlich persönlich kennen zu lernen, die Ballettschule zu sehen und im großen Ballettsaal zu tanzen.“
Und mit diesem positiven Blick nach vorne ließ ich meine Schüler gerne in die Osterferien gehen. Ich hoffe sie denken an diese Worte, wenn sie mal keine Lust auf das Online- Training haben oder sie durch diese Situation entmutigt sind. Ich mache es nämlich genauso. Mit Erfolg: Es hilft.